Orfeus der Erst puseran
1494 A d
Die unten mittig mit der Jahreszahl "1494" und Dürers Monogramm versehene Zeichnung "Tod des Orpheus" wurde mit dem Legat des 1863 verstorbenen Ernst Georg Harzen der 1869 eröffneten Hamburger Kunsthalle übereignet.
Sie zeigt den Sänger und Dichter Orpheus, dessen Schambereich nur spärlich von seinem Umhang bedeckt ist, vor einem Gebüsch am Boden kniend. Mit dem Arm versucht er sich vor den zwei Frauen zu schützen, die sich von beiden Seiten mit Knüppeln nähern, um auf ihn einzuschlagen. Während die im Vordergrund liegende Leier zur Identifikation seiner Person beiträgt, hilft der vor Schreck flüchtende Armor sowie das Spruchband in der Baumkrone dabei, die gesamte Szene zu deuten. Zusammen mit der Bezeichnung "Orpheus der Erst puseran", die Orpheus als Päderast bezeichnet, soll der Fliehende darauf verweisen, dass sich der Dichter nach dem Tod Eurydikes der Knabenliebe zuwandte, wofür er von den Verschmähten mit dem Tode bestraft werden sollte.
Bereits frühzeitig wurde ein italienisches Vorbild diskutiert (vgl. Meder 1912, S. 213; Winkler I, S. 44.), von dem bislang nur ein einziger Abzug in der Kunsthalle Hamburg nachweisbar ist (vgl. Inv.-Nr. 22). Dürer selbst griff für seinen um 1498 gefertigten Kupferstich "Hercules am Scheidewege (Die Eifersucht; Der große Satyr)" auf einzelne Elemente der Zeichnung, wie auf die Frau links, das Gebüsch oder den davonlaufende Putto, zurück.
Die verwendeten Tinten wurden zur Klärung des Zeichnungsprozesses in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt untersucht (vgl. Tintenprojekt 2011-2012).
S. 18, Nr. 159
S. 220, 1494/11