Tattoo Artist Caitlin Fauve stach das Motiv 2023 in Saint Helier für Michael Sheehy. Vorbild für die Tätowierung war Dürers um 1498 entstandener Holzschnitt "Michaels Kampf mit dem Drachen" (vgl. Schoch/ Mende/ Scherbaum II, S. 94, Nr. 122), den dieser als Teil der Apokalypse veröffentlichte. Das Tattoo gibt die zentrale Handlung der Szene isoliert wieder: der Erzengel Michael durchbohrt das Untier mit seiner Lanze. Körperhaltung und Erscheinungsbild der Figuren entsprechen der Vorlage, wohingegen sich das Linienbild deutlich vom Holzschnitt unterscheidet. Zwar kombiniert auch die Tätowierung Parallel- und Kreuzschraffur, die Linien wirken jedoch reduzierter und zugleich weniger stringent. Sie setzen sich zum Teil aus mehreren Einzelstrichen zusammen, zwischen denen die Tätowiernadel abgesetzt wurde, erscheinen wellenförmig, die Enden sind oft unregelmäßig gekrümmt. Tattookünstlerin Fauve beschreibt in einem anlässlich der Sonderausstellung "Dürer under your skin: Tattoo art" an das Albrecht-Dürer-Haus eingesendeten Statement ihr Vorgehen: "Ich habe mich dafür entschieden, alle Details freihändig zu tätowieren. Der gesamte Vorbereitungsprozess war inspirierend und lehrreich [...]" (Caitlin Fauve, Ausst.-Kat. Nürnberg 2024, S. 68).
Der Vergleich mit der Holzschnittvorlage führt auch die grundsätzlich unterschiedliche Arbeitsweise vor Augen: während die druckenden Linien des Holzstocks durch Wegnehmen jener Teile entstehen, die frei von Farbe bleiben sollen, ähnelt das Tätowieren eher dem Prozess des Zeichnens – das Bild wird durch das gezielte Hinzufügen von Farbe erzeugt. Besonders deutlich wird dies etwa bei den Gewandfalten direkt unterhalb des Gürtels oder der Falten unterhalb der Knie: Flächen mit dichter Kreuzschraffur, die durch minimalen Abtrag von Material am Stock beinahe schwarz wirken, stehen im Kontrast zu der Tätowierung, deren Schatten nur durch wenige Schraffurlinien auf die Haut gebracht werden.