An mein l. hasfraw, wnd
Ehwirthin Agnes Dürerin
dwrch [...]
gebn zw Venedich
newn or In dy nacht am
3 sunntag in fasten
Im 1506 Ior
Libstes Weib:
Nit wor, lang bleib ich aws mein schatz,
allein dahier am Marcus platz
– das sicht awch wer kein Philosoph –
Ists schöner als beim Plobenhof.
Selbst wenn der wnder wasser ist,
awch merkte man in kwrzer frist,
daz dy so hier dy gondeln fahrn
In nirnberg nit zwr lehre warn
Es hielt mich hergereisten man
venedigs Schönheit lang in ban
Jetzt aber heisst es: schnell nach haws
nwn ist dein wällisch kirmess aws:
wnd mag der low am Rock mich halten
Der fernen heimat lichtgestalten
voran fraw Agnes hold geschefftig.
Die Zeichen noch einmal so krefftig
lib ist ein starker Alpenführer
bald ist bei dir
Dein
Albrecht Dürer
AD
Germania
Die Lithographie ist ein fiktiver Brief Dürers aus Venedig an seine Frau Agnes mit einer Darstellung des Künstlers, wie er zwischen der Heimkehr nach Nürnberg und dem Aufenthalt in der Lagunenstadt hin- und hergerissen ist. Mittig auf einem Steg über dem Wasser steht die Figur des Künstlers vor der Silhouette Venedigs. Dessen Erscheinungsbild mit Kopfbedeckung und Schaube ähnelt seinem Selbstbildnis auf dem Allerheiligenbild (vgl. Wien, KHM, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 838). Er wendet einer allegorischen Frauengestalt mit Flügeln zu, die ihn, seinen Arm haltend, auf ein Schiff hinweist, auf welchem sich eine Tafel mit Dürers Monogramm und dem Schriftzug "Germania" befindet. Von Bertold Hinz als Personifikation des Glücks gelesen (vgl. Ausst.-Kat. Berlin 1971, S.162, Nr. 124), erinnern die mit Federn besetzten Beine sowie die Vogelklaue, die unter dem sie umgebenden Nebel hervorschaut, eher an eine Sirene.
Zur Linken des Künstlers greift mit dem geflügelten Löwen das Symboltier des Evangelisten Markus, dem Schutzheiligen der Stadt, nach Dürers Rock. Eine opulent geschmückte Gondel mit einer Harfe spielenden Galionsfigur sowie eine Dame in venezianischer Tracht verbildlichen "Venedigs Schönheit", von der Dürer seiner Frau in den fiktiven Reimen unterhalb berichtet. Die Zeilen sind wohl der Versuch, Dürers eigene Handschrift nachzuahmen. Ergänzt wird die Darstellung von einem Putto links der Verse. Er klammert sich an einen Brief, in den Rosen eingeschlagen sind. Die Druckgraphik gibt keinen Hinweis auf den geistigen Schöpfer der Darstellung sowie die Entstehungszeit, Hinz datierte sie unter Vorbehalt um 1850.
S. 162, Nr. 124, Abb. 48