Die Zeichnung "Eine der klugen Jungfrauen" vorstellend wurde erstmals 1862 in dem Katalog der Versteigerung von Ernst Rietschels Sammlung erwähnt, galt anschließend als verschollen und tauchte erst wieder 1927 in einer Auktion bei Sotheby's auf (vgl. Winkler I, S. 27, Nr. 31).
Die Figur aus dem Gleichnis der klugen und törichten Jungfrauen (Mt 25,1-13) hält eine brennende Öllampe in der linken Hand. Ihr Blick ist gesenkt und ihre langen Locken umspielen Gesicht und Oberkörper.
Die Darstellung wurde gerne mit dem Spätstil Martin Schongauers in Verbindung gebracht (vgl. Tietzes 1928 I, S. 7, Nr. 28). Dürer war während seiner Wanderjahre, den heute erhaltenen Abschriften seiner sogenannten Familienchronik zufolge, 1492, also bereits nach Martin Schongauers Tod, zu Gast bei dessen Brüdern in Colmar und Basel (vgl. z.B. Exemplar der Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg, Will Nor III 916 fol., 16r). Auf der Rückseite der klugen Jungfrau befindet sich die Studie "Bein eines Mannes in zwei Ansichten", die vom Künstler eigenhändig in das Jahr 1493 datiert wurde. Die verwendeten Tinten wurden zur Klärung des Zeichnungsprozesses in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt untersucht (vgl. Tintenprojekt 2011-2012).
S. 10, Nr. 610