Die Federzeichnung einer "Sitzenden Maria mit Kind", die als Schenkung von Henri D'Orléans d'Aumale zum Gründungsbestand des Musée Condé gehört, wurde von Friedrich Lippmann in die Dürer-Forschung eingeführt (vgl. Lippmann 1896 IV, S. 1, Nr. 336).
Maria sitzt frontal zu den Betrachter:innen gewandt, trägt Schleier und ein langes Kleid, dessen Saum am Boden aufliegt und den Rock in Falten wirft. In ihren Armen hält sie den nackten Jesusknaben, auf den sie sanft herabblickt. Durch den Verzicht auf Heiligenscheine liegt der Fokus auf der innigen Mutter-Kind-Beziehung.
Lippmann war der Auffassung, dass die Zeichnung in zwei Phasen entstanden sei, der Künstler also eine Draperiestudie zur Madonna mit Kind ergänzte. Tietzes artikulierten zwar "auffällige Schwächen", doch sahen auch sie Dürer als Urheber (vgl. Tietzes 1928 I, S. 57, Nr. 191). Erst Lisa Oehler argumentierte 1959 dafür, dass nicht nur das Dürer-Monogramm von Hans von Kulmbach aufgesetzt worden, sondern die Zeichnung vollständig als sein Werk zu betrachten sei (vgl. Oehler 1959, S. 148).
S. 148
S. 2938, XW.190