Der "Entwurf für einen Tischbrunnen in Gestalt eines sitzenden Bauern" ist heute Teil eines Klebebandes, der in die Kalbslederbindung eingeprägt den goldenen Schriftzug "KVNSTBVCH Albrecht durers von Nürmberg" trägt (Kunstbuch Albrecht Dürers, KHM, Kunstkammer, 5127). Er enthält 230 Kunstblätter, zusammengesetzt aus 82 Tiefdrucken und 134 Holzschnitten Dürers, exkl. einer Kopie, sowie 13 Zeichnungen, von denen wiederum acht von Dürer selbst stammen, darunter das sogenannte "Gänsemännchen".
Der bärtige Mann mit turbanähnlicher Kopfbedeckung sitzt oberhalb der Brunnenschale auf einem gewundenen Baumstamm, den er mit der linken umfasst, während er mit der rechten Hand eine Gans hält. Aus dem Mund des Mannes springt ebenso Wasser wie aus dem Schnabel der Gans und dem Baumstamm. Aufgrund der Thematik wird zuweilen ein Bezug zu Dürers Schwiegervater dem Rotschmied Hans Frey hergestellt, der seiner in Abschriften überlieferten Familienchronik zufolge tragbare Brunnen mit selbstständig funktionierendem Wasserwerk anfertigte (vgl. z.B. Bamberg, Staatsbibliothek, Sign. JH.Msc.Art.50, S. 6r). Der auf Ochsenkopfpapier gezeichnete, zart kolorierte Brunnenentwurf ist weder datiert noch monogrammiert.
Nachdem Joseph Heller das Blatt 1827 in die Dürer-Forschung eingeführt hatte, sorgten seine niedergeschriebenen Äußerungen wiederholt für Diskussionsstoff. Der Bamberger Sammler beschrieb, dass die Zeichnung als eine von dreien Anfang der 1820er Jahre vom Innsbrucker Rentmeister Augustin Anton Pfaundler der Wiener Sammlung (zurück-)gegeben wurde (u.a. Heller Dürer 1827 I, S. 97). Die Zeichnungen "Gänsemännchen", "Traumgesicht" sowie "Venus und Cupido, der Honigdieb" müssten demzufolge aus dem bestehenden Kunstbuch entfernt und später wieder integriert worden sein (vgl. hierzu Ausst.-Kat. Wien 1994, S. 92).
Sowohl Tietzes als auch Erwin Panofsky sprachen sich beim Entwurf für einen Tischbrunnen gegen die Urheberschaft Dürers aus (vgl. Tietzes 1938 II, S. 146, A 436; Panofsky 1948 II, S. 146, Nr. 1556).
S. 27, Nr. 421
S. 146, A 436
S. 146, Nr. 1556