INRI
feine Einfassungslinie
Dürers um 1519 entstandenes Rundbild „Die kleine Kreuzigung“, auch als „Degenknopf Kaiser Maximilians“ besprochen, wurde vom Künstler auf ein Goldplättchen graviert, das wohl nicht für die Herstellung von Abzügen gedacht war.
Die Kreuzigungsszene ist als Nachtszene gestaltet. Zur Rechten Christi steht Johannes mit gefalteten Händen und hinter ihm - fast im Dunkel versunken - ein Kriegsknecht mit Helm und Schild. Zur Linken des Heilands betet Maria mit zwei trauernden Frauen. Maria Magdalena ist zusammengesunken und umklammert den Stamm des Kreuzes.
Der Zweck des Rundbilds ist bis heute unklar. Während Johann David Passavant auf eine Notiz verwies, die behauptet, dass die Gravur zu einem Prunkschwert Kaiser Maximilians gehörte (vgl. Passavant III, S. 149), interpretierte Georg Kaspar Nagler sie als Zierde für den Hut desselben (vgl. Künstler-Lexicon III, S. 528). Abzüge der aufgrund ihres Formats und ihrer Form ungewöhnlichen Kreuzigung sind selten. Sie dienten wohl als Geschenke Dürers an Freunde, um künstlerisches Können zu demonstrieren.
Gemeinhin werden „zwey getrückte crewzle“, die Dürer selbst 1520 in einem Brief an Georg Spalatin erwähnt (Basel, Universitätsbibliothek, Sign. Mscr. G. I 3 r, Bl. 41), mit dem Tondo gleichgesetzt.
Adam von Bartsch verzeichnete das Original irrigerweise als Kopie A, da es verschiedene Zustände gibt. Der Kunsthistoriker Otto Weigmann konnte 1913 anhand eines Exemplars, das 1911 in Stuttgart versteigert wurde, den zweiten Zustand nachweisen (vgl. Schoch/ Mende/ Scherbaum I, S. 224, Nr. 90). Einer dieser seltenen Abzüge mit Retuschen befindet sich in der National Gallery of Victoria in Melbourne (Inv.-Nr. 3441-4). Auch ein Studienblatt von Dürers Hand hat sich erhalten (vgl. London, British Museum, Inv.-Nr. 1906,0419.103).