1515
AD
Einfassungslinien
Dürer radierte 1515 „Christus am Ölberg“ als Einzelmotiv. Hierbei versuchte er sich in einer Technik, die ursprünglich Plattner und Waffenätzer zur kunsthandwerklichen Verzierung von militärischen Prunkstücken benutzten. Er zeigt Christus, in der Nacht vor seiner Kreuzigung betend im Garten Gethsemane. Seine Jünger Jakobus, Johannes und Petrus schlafen abseits im Schutze des Ölbaums. Oberhalb des Betenden erscheint der Engel mit Leidenskelch, während sich aus dem Hintergrund bereits die Kriegsknechte nähern.
Wohl da das rostanfällige Eisenblech, das in den Anfängen der Ätzradierung herangezogen werden musste, schnell zu fleckigen Abzügen führte, sind insgesamt nur sechs Eisenradierungen im Gesamtwerk des Künstlers nachzuweisen (vgl. Schoch/ Mende/ Scherbaum I, S. 19).
Mit Dürers Nachruhm avancierte die Druckplatte vom druckgraphischen Model zum Objekt der Verehrung. Der Bamberger Sammler Joseph Heller berichtete 1827, dass der österreichische Maler Joseph Schöpf die Platte vor der Weiterverarbeitung durch einen Schmied gerettet habe. Der spätere Besitzer des Stücks, der Innsbrucker Künstler Johann Georg Schaedler, stellte Abzüge her, um diese zu verkaufen (vgl. Ehrl 2020-02-28). Auch Heller, der die Platte 1821 erwerben konnte, ließ sie abziehen. Mit seinem Nachlass gingen letztendlich 138 Exemplare in den Bestand der Königlichen Bibliothek Bamberg über (vgl. Heller'sches Kupferstich-Verzeichniß 1850, S. 63r). Sie ist mit einem goldgelben Überzug versehen, den Heller für die 1501 entstandene Kupferplatte „Der heilige Eustachius“ beschrieb. Ihm zufolge ließ der Kaiser als großer Verehrer Dürers diese vergolden, „damit sie dem Golde gleich geachtet werden möchte“ (Heller Dürer 1827 II.443). Noch im 20. Jahrhundert entstanden nachweislich Abzüge von der Platte.