Einfassungslinien
Der Künstler kopierte den ehemals Dürer zugeschriebenen Holzschnitt "Die Marter des heiligen Sebastian" als Lithographie. Auch er zeigt den nahezu unbekleideten Sebastian am rechten Blattrand. Er ist durch einen Tellernimbus akzentuiert, an einen Baum gefesselt. Der muskulöse Körper des Heiligen ist bereits von Pfeilen durchbohrt. Diese stammen Schützen, die ihm direkt gegenüberstehen. Während ein Mann mit seinem Bogen zielt, spannt ein weiterer im Vordergrund seine Armbrust und hält dabei einen Pfeil im Mund. Sein Blick ist zu den Betrachter*innen gerichtet. Im Mittelgrund finden sich zwei orientalisch gekleidete Beobachter. Der Weg führt in die Ferne zu einer Stadt im Hintergrund.
Der originale Holzschnitt war bereits im 19. Jahrhundert für Sammler kaum noch käuflich zu erwerben. Ein glühender Verehrer Dürers, der Sammler und Kunstschriftsteller Ralf von Retberg, nahm den Holzschnitt in sein Dürer-Verzeichnis von 1871 unter der Rubrik "Die nicht beglaubigten Blätter" auf und urteilte: "Eines der schönsten Blätter der Dürerischen Werkstatt und vielleicht nach einer Zeichnung des Meisters selbst. Aeuszerst selten." (Retberg 1871, S. 126)
Retberg machte es sich zur Aufgabe seltene graphische Blätter Dürers zu reproduzieren, um sie für Liebhaber und Forschende zugänglich zu machen. Seine Lithographien druckte er dann limitiert, nummeriert und, wie handschriftliche Inschriften auf einigen Rückseiten der Reproduktionen belegen, oftmals mit Widmung. Dabei vermerkte er manchmal sogar das zugrundeliegende Exemplar des Originals.
In diesem Fall diente ein Abzug aus der Sammlung Heinrich Cornill d'Orvilles als Vorlage (vgl. Aukt.-Kat. H.G. Gutekunst, Stuttgart, 14. und 15. Mai 1900, S. 28, Nr. 355).