Die unvollendete Zeichnung "Darstellung Christi im Tempel" gehört zum Gründungsbestand des British Museum, in dem sie sich seit 1753 befindet. Unten rechts ist ein wohl in der Mitte des 16. Jahrhunderts aufgebrachter handschriftlicher Vermerk zu lesen, der auf Dürer als Zeichner während seiner Wanderjahre verweist. Bereits 1861 von Bernhard Hausmann unter den Handzeichnungen Dürers gelistet (vgl. Hausmann 1861, S. 109, Nr. 80), war die Urheberschaft nachfolgend unter Forschenden umstritten.
In der Komposition folgt die Zeichnung einem Werk Martin Schongauers, das in Kopien in verschiedenen Sammlungen überliefert ist (z.B. London, British Museum, Inv.-Nr. SL,5218.93; Wien, Albertina, Inv.-Nr. 3023). Dürer war, den heute erhaltenen Abschriften seiner sogenannten Familienchronik zufolge, im Jahr 1492, also bereits nach Martin Schongauers Tod, zu Gast bei dessen Brüdern in Colmar und Basel (vgl. z.B. Exemplar der Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg, Will Nor III 916 fol., 16r). Das British Museum, das die Zeichnung als Werk Dürers führt, interpretiert sie als Zeichen von Dürers Bewunderung für Schongauer, von dem er nachweislich Werke besaß (z.B. London, British Museum, 1854,0628.23).
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S. 8, Nr. 598