Die weiß gehöhte Pinselzeichnung auf blauem Papier ist eine während Dürers zweiter Italienreise entstandene Studie zum Papstkopf des Rosenkranzfestes, das der Künstler im Auftrag deutscher Kaufleute als Altarbild für die Kirche San Bartolomeo in Venedig anfertigte.
Die Vorzeichnung gelangte vermutlich über Nürnberg und Wien nach Berlin (vgl. Ausst.-Kat. Berlin 2023, S. 286, Kat.-Nr. 111). Weder datiert noch monogrammiert hielt man den Profilkopf eines Alten mit Tonsur und in sich gekehrtem Blick im dortigen Kupferstichkabinett für eine Nazarener-Zeichnung und gab sie 1878 an die Berliner Nationalgalerie ab (vgl. Tietzes 1937 II, S. 26, Nr. 312). Als Friedrich Winkler die Pinselzeichnung als Dürer erkannte, forderte er sie in seiner Funktion als Direktor des Kupferstichkabinetts zurück und publizierte sie erstmals für die Dürerforschung (vgl. Winkler 1935a).
Die Ähnlichkeit mit dem Papst im Originalgemälde, das 1606 nach Prag überführt wurde und sich heute in der dortigen Nationalgalerie befindet, ist nicht mehr gegeben. Im Zuge des Dreißigjährigen Krieges wurde das Großformat stark beschädigt. Bei Restaurierungsmaßnahmen in der Mitte des 19. Jahrhunderts ergänzte und übermalte man u.a. das päpstliche Antlitz (vgl. Budde 1996, S. 229, Z/13) und passte es womöglich über Münzporträts dem Aussehen Julius II. an (vgl. Ausst.-Kat. Berlin 2006, S. 152, Kat.-Nr. 96). Hingegen ist in der Gemäldekopie, die heute im Kunsthistorischen Museum in Wien aufbewahrt wird (Inv.-Nr. Gemäldegalerie, 1900), die Ähnlichkeit des Profilkopfes zur Vorstudie noch nachvollziehbar.
Bevor Winkler 1935 seinen Aufsatz publizierte, waren einigen Forschenden zwei Kopien Hans Hoffmanns bekannt (vgl. Thausing 1884 I, S. 352; Flechsig II, S. 567), die sich heute in Braunschweig (Herzog Anton Ulrich-Museum, Inv.-Nr. Z 36) und Budapest (Szépművészeti Múzeum, Inv.-Nr. 376) befinden.
S. 26, Nr. 312
S. 942, 1506/29
Nr. 51