ALBERTVS DVRER
NORENBERGENSIS
FACIEBAT • POST
VIRGINIS PARTVM
1510
AD
Die Zeichnung "Simson schlägt die Philister", die 1877 unter Friedrich Lippmann für das Berliner Kupferstichkabinett erworben werden konnte, ist eine Kopie nach einer Bildhauervorlage, die Dürer für das Epitaph des 1506 verstorbenen Georg Fugger an der familieneigenen Gedächtnisstätte bei St. Anna in Augsburg entwarf (hierzu Paula 2010). Nicht nur aufgrund ihrer namhaften Provenienz - sie sollte aus der Sammlung von Willibald Imhoff stammen (vgl. Budde 1996, S. 327, Z/109) - hielten Forschende die Zeichnung bis weit ins 20. Jahrhundert hinein für ein eigenhändiges Werk Dürers.
Im Hauptfeld unter dem Rundbogen zeigt der Künstler Simson im Löwenmantel auf Krieger im Harnisch einschlagen. Das Narrativ auf die vorausgegangene Lebensgeschichte erweiternd, finden sich oberhalb weitere Szenen. Oben links kämpft Simson mit dem Löwen oder trägt die zuvor ausgehebelten Tore von Gaza davon. Rechts im Hintergrund erhaschen die Betrachter:innen durch ein Palastfenster einen Blick darauf, wie seine Frau Delila ihm nach der Bestechung durch die Philister im Schlaf die Haare abschneidet, um ihn seiner übermenschlichen Kräfte zu berauben. In den unteren Zonen des architektonischen Bildaufbaus tollen Putten und Satyrn um eine Inschriftentafel, die auf Dürer als geistigen Schöpfer und die Jahreszahl 1510 verweist.
Das Blatt gehörte wohl mit einer Zeichnung der "Auferstehung Christi" zusammen, die sich heute in der Albertina in Wien befindet (Wien, Albertina, Inv.-Nr. 3126). Forschende meinten, sie bis ins 18. Jahrhundert gemeinsam nachweisen zu können (vgl. Mechel 1783, S. 231, Nr. 6), doch ihre Funktion war nicht ganz klar. Moritz Thausing äußerte beispielsweise, noch lange nachdem sich ihre Wege getrennt hatten, dass sie gemeinsam ein Hausaltärchen gebildet haben könnten (vgl. Thausing 1876, S. 327).
Über Jahrzehnte vermuteten Forschende, dass es sich bei der Berliner Zeichnung um eine eigenhändige Wiederholung nach der ebenfalls erhaltenen motivgleichen Zeichnung von Dürers Hand (Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 4080) handele, die sich im Verwendungszweck und damit in gestalterischen Details unterscheidet (z.B. Best.-Kat. Berlin 1921 I, S. 27). Auf der Vorlage sind ein männlicher Leichnam, Todessymbole und Gottvater integriert, also Elemente, die auch in der Fugger’schen Epitaphienwand umgesetzt sind. Während die meisten Autoren bis ins 21. Jahrhundert hinein die beiden Blätter mit einer Nennung im Imhoff-Inventar in Zusammenhang brachten (vgl. auch Heller Dürer 1827 II, S. 80, Nr. 22), schlägt Christof Metzger vor, dass die heute als Originale interpretierten Bildhauervorlagen inkl. Todessymbolik gemeint gewesen sein müssten, von denen sich die eine in Berlin erhalten hat, die andere aber verschollen ist (vgl. Ausst.-Kat. Wien 2019, S. 472, Dok. 5, S. 473, Dok. 8, 11). Die Provenienz ist damit nicht eindeutig geklärt.
Bei der besprochenen Berliner Zeichnung, auf der die genannten Beigaben fehlen, konnten zudem Spuren eines Pausvorgangs nachgewiesen werden (vgl. Endrődi 2013, S. 1016). Heute gilt sie als Kopie nach Dürers Bildhauervorlage, die erst in der sogenannten Dürer-Renaissance um 1600 entstand.
S. 97
S. 165
S. 156, W 78
S. 145, Nr. 1538
S. 249
S. 1238, 1510/21
Nr. 62