Massow, Wilhelm von (1891-1949)

Als Spross einer bis ins 13. Jahrhundert zurückgehenden pommerschen Adelsfamilie gehörte Wilhelm von Massow zur ersten Generation seiner Familie, die nicht mehr als Großgrundbesitzer oder preußische Militärs und Verwaltungsbeamte tätig waren, sondern durch Studium und Beruf eine bürgerliche Existenz anstrebten. Als Klassischer Archäologe hat er sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die Rekonstruktion antiker Denkmäler sowie die Bearbeitung römischer Skulpturen und Wandmalereien einen beachtlichen Ruf in der Wissenschaft erworben.
Das 1910 zunächst in Jena begonnene, dann in Bonn und Berlin weitergeführte Studium der Klassischen Archäologie sowie der Alten Geschichte und Klassischen Philologie wurde durch die Teilnahme am Ersten Weltkrieg unterbrochen. Erst 1919 konnte er das Studium in Leipzig fortsetzen und 1922 mit der Promotion abschließen. Thema der Dissertation war die Rekonstruktion der nur literarisch überlieferten Kypseloslade, einem griechischen Weihegeschenk aus der Zeit um 600 v. Chr. Die Lösung dieser Aufgabe prädestinierte ihn zur Übernahme eines größeren wissenschaftlichen Projekts, das Anforderungen ähnlicher Art stellte. Sein Doktorvater Franz Studniczka vermittelte ihn als wissenschaftlichen Hilfsarbeiter an die Römisch-Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts. In deren Auftrag übernahm er 1922/23 die wissenschaftliche Bearbeitung der über 40 Jahre zuvor in Neumagen an der Mosel vom Trierer Provinzialmuseum ausgegrabenen und noch unpublizierten römischen Grabmäler, dem nach wie vor bedeutendsten Komplex antiker Skulpturen nördlich der Alpen. Im Anschluss daran trat er Ende 1923 das Reisestipendium des Archäologischen Instituts an, das ihn von Italien über Griechenland bis nach Kleinasien führte. Im Anschluss daran war er als wissenschaftlicher Assistent am Athener Institut des DAI maßgeblich an der unter Leitung von Ernst Buschor durchgeführten Ausgrabung des Amyklaions, einem Apollo-Heiligtum bei Sparta, engagiert. Bei einer Reise nach Kleinasien lernte er 1925 in Didyma Theodor Wiegand kennen, den Direktor der Antikenabteilung der Staatlichen Museen in Berlin. Dieser gewann Massow als Mitarbeiter für das neue Pergamonmuseum in Berlin. Von 1926 bis 1935 war er als Kustos und Professor an der Antikenabteilung tätig und mit der Einrichtung der Schausammlung des im Oktober 1930 eröffneten Pergamonmuseums sowie insbesondere mit dem Wiederaufbau der architektonischen Prunkstücke – dem Pergamonaltar und dem Markttor von Milet – betraut.
Der große Publikumserfolg des neuen Pergamonmuseums prädestinierte Massow zur Übernahme einer weiteren musealen Herausforderung. Die rheinische Provinzialverwaltung plante in Trier die Schaffung eines Großmuseums des Moselraums im Kurfürstlichen Palast, das als Zentralmuseum alle örtlichen musealen Sammlungen von Provinz, Bistum und Stadt zusammenfassen sollte. Nach dem Konzept des rheinischen Kulturdezernenten Hanns Joachim Apffelstaedt sollte Massow, der 1935 zum Direktor des Rheinischen Landesmuseums in Trier berufen wurde, auch der Generaldirektor des künftigen Großmuseums werden. In Trier übernahm er von seinem langjährigen Vorgänger Emil Krüger ein Haus mit reichen archäologischen Sammlungen, dessen Aufstellung und innere Organisation erheblicher Verbesserungen bedurfte. Durch die in der Rheinprovinz übliche Personalunion des Landesmuseumsdirektors mit dem Amt des Staatlichen Vertrauensmanns für Kulturgeschichtliche Bodenaltertümer wurde Massow auch für die Archäologie in der Stadt Trier, im umliegenden Regierungsbezirk sowie seit 1937 im Landkreis Birkenfeld verantwortlich. Der in den 1930er Jahren mit erheblichen Mitteln betriebene Ausbau der archäologischen Forschungen kam nicht nur der bislang eher vernachlässigten Vorgeschichte zugute, sondern unter dem Einfluss der Kulturabteilung der Provinzialverwaltung nach wie vor der römischen Epoche, was sich in der Berufung des auch für die rheinische Römerforschung ausgewiesenen Klassischen Archäologen Massow beispielhaft zeigen lässt.
Obwohl Massow mit einer Reihe von Wissenschaftlern seines Hauses 1937 auf Verlangen des Landeshauptmanns in die NSDAP eintrat, war er nur nominelles Mitglied und ist er nicht mit nationalsozialistischen Parolen oder entsprechenden Aktionen hervorgetreten.
Der Umbau des Kurfürstlichen Palastes, in dessen Hauptgebäude die Schausammlungen des Landesmuseums einziehen sollte, wurde erst 1942 im Wesentlichen fertig, konnte wegen der Kriegsereignisse aber nie bezogen werden. Doch wurden die Räumlichkeiten und insbesondere die Keller für einen nun notwendig gewordenen Zweck genutzt: die Evakuierung der Sammlungen, der Bibliothek und der Archive genutzt. Diesen weitsichtigen Maßnahmen unter der Ägide Massows, der 1944/45 über Monate als einziges Mitglied der Museumsbelegschaft in Trier verblieben war, ist ihre Rettung trotz der Kriegszerstörungen 1944 und den Witterungsschäden der ersten Nachkriegszeit zu verdanken.
Nach Kriegsende und trotz der Aufhebung der Beamtendienstverhältnisse betreute Massow als Mitglied der von der amerikanischen Besatzung ins Leben gerufenen „Kommission zur Rettung und Pflege der Kulturdenkmäler der Stadt Trier“ bis April 1946 die Sammlungen des Landesmuseums, die Bodendenkmäler und die Römerbauten.
In dieser von ihm als „vorläufiges Ausscheiden“ betrachteten Phase war er als Mitglied der Evangelischen Kirchengemeinde deren ehrenamtlicher archäologischer Fachberater und setzte sich neben der Erarbeitung einer dokumentarischen Ausstellung und eigene Forschungen auch für den Wiederaufbau und die weitere kirchliche Nutzung der kriegszerstörten Basilika ein.
Zwischen 1946 und 1948 war Massow mit langwierigen Verfahren der politischen Bereinigung in Untersuchungsausschüssen und Revisionen konfrontiert. Diese führten erst 1948 zur Amnestie, aber nicht mehr zur Wiedereinsetzung als Museumsdirektor. Dafür waren die Widerstände gegen eine Rehabilitierung seitens der französischen Militärregierung und des neuen rheinland-pfälzischen Kultusministeriums zu groß. Bevor er ein im Frühjahr 1949 für ihn am Landesmuseum eingerichtetes Forschungsprojekt zur Erstellung des Bandes „Das römische Trier“ im Rahmen der Kunstdenkmälerinventarisation antreten konnte, verstarb er an den Folgen einer Gallenoperation.