Jacobsthal, Paul Ferdinand (1880-1957)

Paul Jacobsthal (1880-1957) ist bekannt als Forscher an der Schnittstelle zwischen zwei Disziplinen: Als Klassischer Archäologe öffnete er sich nach dem Ersten Weltkrieg für prähistorische Fragestellungen. Seine bis heute bekannteste Forschungsarbeit "Early Celtic Art" arbeitete die Einflüsse des Mittelmeerraumes auf die Kunst nördlich der Alpen während der La-Tène-Zeit heraus. Er war damit impulsgebend für die deutsche wie die angelsächsische Forschung; seine Periodisierung der La-Tène-Kunst ist trotz weiterer Ausdifferenzierung bis heute gültig.

"Early Celtic Art" erschien im Jahr 1944 in Oxford. Begonnen hatte Jacobsthal seine Forschungen allerdings an der Universität Marburg, wo er in der Nachfolge Ludwig von Sybels (1846-1929) seit 1912 lehrte und eines der renommiertesten Seminare für Klassische Archäologie mit umfangreicher Bibliothek, Abguss- und Dia-Sammlung aufbaute. Maßgeblich beteiligt war er darüber hinaus an der 1927 erfolgten Einrichtung des Prähistorischen Seminars und dessen Besetzung mit Gero von Merhart (1886-1959), der damit der erste Ordentliche Professor für Vorgeschichte im Deutschen Reich wurde. Jacobsthal selbst hatte schon 1920 einen Prähistorischen Apparat an sein eigenes Seminar angegliedert und eine Assistentenstelle eingerichtet, die von Walther Bremer (1887-1926) eingenommen wurde. In diesem Rahmen setzte sich Jacobsthal dafür ein, eine volle Promotion in Prähistorie möglich zu machen, was er 1923 erreichte.

1935 wurde Jacobsthal aufgrund der nationalsozialistischen Rassegesetzgebung zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Zwar war er selbst Protestant, doch stammte er aus einer jüdischen Gelehrtenfamilie und galt in der NS-Rasselogik daher als "Volljude". Nur durch das Engagement seines Freundes und Oxforder Kollegen John D. Beazley (1885-1970) war es ihm möglich, am Christ Church College in Oxford eine Stelle als Reader zu bekommen. Die Emigration des Ehepaars Jacobsthal erfolgte 1936/37; dieser verhältnismäßig frühe Gang ins Exil war der finanziellen Not geschuldet, rettete Paul Jacobsthal aus der Rückschau jedoch das Leben.
Als außerordentlicher Gelehrter durch die britische Forschung anerkannt, widmete sich Jacobsthal in Oxford einem eher geruhsamen Forscherleben, vermisste dabei jedoch stark die zuvor gewohnte akademische Kultur. Zwischen Juli und November 1940 allerdings wurde er als Deutscher durch die Briten auf der Isle of Man interniert, eine Maßnahme, die die meisten deutschen Männer in Britannien traf und auf der Hysterie beruhte, mit den deutschen Exilanten seien auch viele deutsche Spione in das Land gekommen.
1941 entzog das Deutsche Reich den als jüdisch klassifizierten Menschen, die im Ausland lebten, die deutsche Staatsangehörigkeit, Paul Jacobsthal war von nun an staatenlos. Erst nach dem Krieg, im Jahre 1947, konnte er sich für die britische Staatsbürgerschaft bewerben. Er tat dies, nachdem die Universität Marburg ihm klar gemacht hatte, dass er nicht mehr auf seinen alten Lehrstuhl würde zurückkehren können. Auch um seine Pensionszahlungen aus seiner Marburger Zeit musste er kämpfen.
Paul Jacobsthal kehrte nie wieder nach Deutschland zurück. Trotzdem blieb er Marburg sowie den deutschen Altertumswissenschaften und ihren Forschungsinstitutionen bis zu seinem Tod im Jahr 1957 emotional stark verbunden.