Loeschcke, Siegfried (1883-1956)

Loeschckes Arbeit zu den Keramikfunden aus Haltern gilt bis heute als Handbuch zur Typologisierung der Keramik der römischen Provinzen in der Kaiserzeit. Auch die Keramikfunde aus den Kaiserthermen von Trier wurde von ihm bearbeitet, als seine bedeutendste Leistung gilt jedoch die wissenschaftliche Erforschung des Tempelbezirks am Altbachtal in Trier.

Die wissenschaftliche Entwicklung von Siegfried Loeschcke wurde früh und nachhaltig geprägt von seinem Vater Georg Loeschcke, der als Professor für Klassische Archäologie seit 1879 in Dorpat (Estland) wirkte, bis er 1889 auf den Lehrstuhl für Klassische Archäologie in Bonn berufen wurde. Hier in Bonn studierte der Sohn Siegfried ab 1903 Klassische Altertumswissenschaften, unterbrochen von einem Studienaufenthalt 1905 in München.
Es folgte eine lebenslange Hinwendung zur Keramikforschung. Schon als Schüler hatte Loeschcke an Grabungen der Reichslimeskommission, bei der der Vater als ehrenamtlicher Streckenkommissar mitwirkte, teilgenommen. Als Student arbeitete er bei den Ausgrabungen in den römischen Lagern von Haltern und Oberaden in Westfalen sowie im Töpfereibezirk in Trier mit. So war es kein Zufall, dass er 1909 mit einer vorbildlichen Arbeit über frührömische „Keramische Funde in Haltern“ an der Universität Bonn promoviert wurde. Mit dem Reisestipendium des Archäologischen Instituts besuchte er zwischen 1910 und 1912 zahlreiche Ausgrabungsstätten im Mittelmeerraum.
Mit der „Beschreibung römischer Altertümer“ in der Privatsammlung Carl Anton Niessen legte Loeschcke 1911 eine detailreiche typologische Arbeit mit Handbuchcharakter zu römischem Glas, Keramik, Bronzegerät und Schmuck vor. Auch die mustergültige Bearbeitung der römischen Lampen aus Vindonissa wurde mit der 1919 vorgelegten Publikation für mehr als ein Jahrhundert zu einem Standardwerk.
Das weitere wissenschaftliche Werk von Loeschcke ist hauptsächlich mit der Erforschung der Römerzeit in Trier verbunden. Seit 1913 war er am damaligen Provinzialmuseum tätig, zunächst bis 1918 als Assistent zur Bearbeitung der Kleinfunde bei der unter der Leitung von Emil Krüger und Daniel Krencker durchgeführten Kaiserthermengrabung. Ab 1914 wurde er zugleich als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter am Provinzialmuseum zur Erfassung römischer, mittelalterlicher und neuzeitlicher Keramik angestellt. Der 1918 erfolgten Ernennung zum Direktorialassistenten mit Aufgaben für die römischen Sammlungen und die Ausgrabungen im Stadtgebiet folgte 1928 die Übertragung der Zuständigkeit für die Römische und Fränkische Abteilung als Abteilungsdirektor.
Nebenamtlich oblag Loeschcke von 1925 bis 1937 die Betreuung der dem Provinzialmuseum (seit 1934: Rheinisches Landesmuseum) zugehörigen Römischen Abteilung des Deutschen Weinmuseums in Trier mit dem umfassenden Aufbau der Säle durch zahlreiche Nachbildungen originaler Denkmäler.
Zur bedeutendsten wissenschaftlichen Aufgabe Loeschckes wurde der gallo-römischen Tempelbezirk am Altbachtal in Trier, in dem von 1924 bis 1932 unter seiner Leitung umfangreiche Ausgrabungen durchgeführt wurden. Diese führten zur Entdeckung von mehr als 75 Tempeln und Kapellen. Das Heiligtum galt als „deutsches Delphi“ und stellte das seinerzeit größte Ausgrabungsunternehmen in Deutschland dar. Angestoßen von der Altbachtalgrabung wurde mit wesentlicher Unterstützung von Gerhard Rodenwaldt, dem Generalsekretär des Deutschen Archäologischen Instituts, die „Kommission zur Erforschung der Römischen Kaiserresidenz und Frühchristlichen Bischofstadt Trier“ eingerichtet. Zum Ausgrabungsleiter der Trier-Kommission wurde Loeschcke bestellt. Damit oblag ihm (und nicht dem Museumsdirektor) faktisch auch die Zuständigkeit für alle weiteren Ausgrabungen im Stadtgebiet von Trier. Mitte der 1930er Jahre wurde er im Zusammenhang mit organisatorischen Änderungen in der Geschäftsverteilung des Landesmuseums zur Vorbereitung der Publikation der Altbachtalausgrabungen – gegen seinen Willen – nach und nach von allen anderen Museumsaufgaben freigestellt.
Bereits Ende der 1920er Jahre äußerte er sich in Wort und Schrift mit völkischen Aussagen als überzeugter Anhänger der nationalsozialistischen Ideologie, auch wenn er erst 1937 als Parteimitglied aufgenommen wurde. Nach 1945 konnte er sich nur als Privatgelehrter seinen Studien widmen; zu einer Einstellung in den Dienst des neuen Landes Rheinland-Pfalz kam es nicht.
Die Erforschung des Tempelbezirks im Trierer Altbachtal darf als bedeutendste wissenschaftliche Leistung Loeschckes gelten. Eine persönliche Tragik liegt darin, dass es ihm nicht vergönnt war, ihre Ergebnisse selbst abschließend zu veröffentlichen. Nach einem vielversprechenden Vorbericht von 1928 erschienen 1938 und 1942 noch zwei Lieferungen des auf 10-12 Planausschnitte angelegten Werks. Eine zusammenfassende Publikation aus der Feder seines langjährigen Mitarbeiters Erich Gose erschien posthum 1972.
Loeschcke besaß einen international anerkannten Ruf als herausragender Kenner römischer Klein- und Massenfunde der gallisch-germanischen Provinzen des Römischen Reiches, insbesondere im Hinblick auf Keramik und Glas. Seine grundlegenden Forschungsergebnisse zur Chronologie und Typologie dieser Fundgattungen stellen Pionierleistungen der Provinzialrömischen Archäologie dar.