DW_Z_175 Hektor und Andromache

Die bisher unbekannte Zeichnung gehört stilistisch und technisch zu einer kleinen Gruppe von detailliert ausgeführten Kompositionsentwürfen mit überwiegend klassischen antiken Themen, die zwischen 1756 und 1760 entstanden und von denen nur die wenigsten als Gemälde ausgeführt wurden: 87_VZ_01, 109_VZ_01, Z_58, Z_65. Z_121, DW_Z_145. Vermutlich dienten sie als eine Art von Vorrat, der potentiellen Auftraggebern zur Auswahl vorgelegt werden konnte. Auch im vorliegenden Fall ist eine solche Funktion wahrscheinlich.
Beschrieben wird die Komposition in einem Brief, den der von Mengs porträtierte Thomas Robinson (Kat. _228) am 9. August 1760 aus Rom an seinen Vater schrieb und in dem es ihm um einen Vergleich zwischen Mengs und Batoni ging: "As to the Historical Picture of Hector & Andromache, I shall only make one distinction between them without entering into a detailed Account of them. Which is, that Menx has drawn Hector Andromache & Astyanax within the Walls of Troy, while Battoni's is il Signor Ettore, la Signora Andromache & il fanciullo Astyanax on the Theatre in the Haymarket. This last picture however [he] is doing for my L[or]d Northampton." (Roettgen 2003, S. 194).
Offensichtlich war Robinson von Mengs' Interpretation der berühmten Abschiedsszene mehr angetan als von der Darstellung Batonis, bei der es sich um einen Auftrag für Lord Northampton handelte (Bowron 2016, Kat. 224) und die von Winckelmann wegen der unangemessenen Auffassung der heftig bewegten Protagonisten heftig kritisiert wurde (Bowron 2016, S. 274-275). Da ein Gemälde von Mengs mit dieser Thematik in den Quellen nicht erwähnt wird, ist es wahrscheinlich, dass Robinsons Vergleich auf dieser oder einer ihr kompositionell entsprechenden Zeichnung basiert. Mengs platzierte die Szene mit dem sich die Hände reichenden Paar und der Amme und dem kleinen Astyanax vor ein im Stil römischer Triumphbögen gehaltenes Stadttor, durch dessen Bogen man auf eine erhöht liegende und fast mittelalterlich anmutende Festung mit einem Rundturm blickt. Offensichtlich ließ sich diese Architekturkulisse leichter mit Troja assoziieren als die toskanische Säulenstellung, die Batoni gewählt hatte und die Robinson eher an den Londoner Haymarket erinnerte.