Mittelblock eines Grabmals. Der sehr gut erhaltene Kalksteinblock weist nur an den Ecken Abbrüche auf, welche aber die Inschrift und die Seitendarstellungen nicht beeinträchtigen. Die Oberflächenabnutzung erstreckt sich im wesentlichen auf Kopf- bzw. Gesichtspartien der auf den Bildseiten dargestellten Personen. Von diesem ist weiter noch das Dach mit geschuppten Seitenflächen erhalten: http://lupa.at/6454.
Radnoti-Alföldi: Linke Längsseite: Aus vertieftem, umrahmtem Feld ist eine Wirtshaus bzw. Weinhandlungsszene dargestellt. Im Hintergrund (Schankraumwand) lagern zweireihig sieben Amphoren (drei als Maßgefäße dienende Henkel- und vier schilfseilumwickelte (Transportschutz) Korbamphoren und sechs mit Holzreifen oder Strohseilen umwundene kleine Fässer in einem Regal. Davor steht der mit einer Tunika bekleidete Wirt an der Theke und gießt aus einem großen Krug Wein in ein kleineres Maßgefäß, das auf einem in die Theke eingelassenen Einfülltrichter steht. Die Thekenaufbauten rechts und links des eigentlichen Schanktisches, der auf Säulen ruht, sind mit Strukturornamenten verziert. In den Rundbogenaufsätzen der Thekennischen befinden sich weitere Kleingefäße. Am unteren Bildrand kommt von links ein Junge im Kapuzenmantel an den Schanktisch heran; zum späteren Einfüllen hält er eine Amphore unter den Thekentrichter.
Rechte Längsseite: Auch das Motiv auf der rechten Steinseite zeigt eine alltägliche Begebenheit aus einem römischen Gasthaus: Im Hintergrund ist ebenfalls ein Regal mit sechs Weinfässern und sieben dickbauchigen, schilfseilumwickelten Amphoren - zwei sind durch den Kopf einer im Mittelgrund stehenden, mit einer Tunika bekleideten Kellnerin fast gänzlich verdeckt - zu sehen. Im Vordergrund sitzen zwei tunikabekleidete Männer auf Stühlen mit vogelförmigen Armlehnen an einem Tischehen. Sie sind ins Brettspiel- mit Spielsteinen - versunken, bei dem ihnen die Kellnerin interessiert, aber nicht unparteiisch (sie verständigt sich mit dem linken Spieler mittels Handzeichen), zusieht. Auf dem Schoß des rechten Spielers, in dessen Kopfhöhe an der Rückwand eine Schreibtafel hängt, liegt ein Hündchen. (Die Bilddarstellungen trugen ursprünglich eine Mehrfarbenbemalung, was an heute noch sichtbaren Farbspuren abzulesen ist.)
Rückseite: Vertieftes, umrahmtes und unverziertes Feld.
Pompeianius / SilvinusPompeianius Silvinus (männlich) vivus / fecit sibi et / Pomp(eianio) VictoriPompeianius Victor (männlich) / fratri piissimo / qui vixit annis
Pompeianius Silvinus hat (das Grabmal) zu Lebzeiten für sich und den pflichtbewusstesten Bruder, Pompeianius Victor, der 30 Jahre alt wurde, errichtet.
Blattförmige hedera als Worttrenner in Z. 3. Z. 5: irrtümlich gesetzter Worttrenner pi°issimo; Z. 6: NI-Ligatur. (B): Radnoti-Alföldi u. a.: Z. 6: ann(i)s XX[X].
Kakoschke: Bei Pompeianius Silvinus und seinem Bruder Pompeianius Victor handelte es sich sicherlich um Einheimische aus Rätien oder dem benachbarten keltischen Raum mit einem Pseudo-Gentilnomen ('Pompeianius' anstelle von 'Pompeianus'). Radnoti-Alföldi: Aufgrund der Darstellungen ist anzunehmen, daß der Grabmalstifter und dessen Bruder den Berufen eines Weinhändlers bzw. Wirtes nachgingen. Broekaert: Das abgebildete Korbgeflecht deutet auf südgallische Weinamphoren hin, die die Brüder vermutlich für den Import von gallischem oder italischem Wein verwendeten.
AE, Radnoti-Alföldi: Datierung auf Ende 2., Anfang 3. Jahrhundert.
(EDH, JW)