Das in Bianconis Werkverzeichnis aufgelistete Bildnis Brühls wurde ursprünglich ganzfigurig angelegt, wie Prange überliefert, der sich für diese Informationen auf Nicolas Guibal berief: „Als Mengs 1749 nach Dresden reiste, hatte er dies Porträt in natürlicher Größe bis auf die Füße angefangen. Es war aber nur der Kopf vollendet, als es ihm a. 1752 nach Rom von Dresden aus nachgeschicket wurde, und Herr Guiball, der es noch 1755 unvollendet gesehen, zweifelt daher, daß es fertig geworden sey, und Herr Bianconi giebt es selbst als unvollendet an.“ Wohl nach Ausbruch des Siebenjährigen Krieges (August 1756) hat Mengs die Arbeit an dem Bildnis definitiv abgebrochen, vermutlich auch wegen seiner zwischenzeitlich verschlechterten Beziehung zu Brühl (Roettgen 2017).
Das Bildnis des damals Fünfzigjährigen zeichnet sich durch die lebendige Charakterisierung und Natürlichkeit aus. Der Dargestellte scheint sein Gegenüber mit einem wachen und zugleich gütigen Blick zu fixieren. Die Modernität und Attraktivität dieser vis-a-vis- Konstellation wird besonders deutlich beim Vergleich mit dem nur im Stich überlieferten Porträt, das Louis de Silvestre kurz zuvor von Brühl gemalt hatte (Abb. in Koch/ Ruggero, S. 21). A
Möglicherweise handelt es sich bei dem erst 2009 bekannt gewordenen Bildnis nicht um die Modellstudie nach dem Leben, sondern um die später auf Büstenformat verkleinerte Leinwand. Dafür sprechen der in Grün angelegte Hintergrund mit seinen Aufhellungen und die vollständig bemalten Umschläge der Leinwand. Wie die Komposition ursprünglich angelegt werden sollte, kann nur aufgrund der übrigen Bildnisse des Ministers vermutet werden, von denen jedoch keines über das Kniestück hinausgeht. Durchgängig zeigen sie ihn stehend vor einem Tisch, der entsprechend seiner politischen Funktion mit Papieren bedeckt ist. Obwohl frontal ausgerichtet, deutet der Kontur der Büste an, dass in Mengs‘ Komposition der Tisch auf jeden Fall rechts platziert worden wäre. Ein in der Dresdner Gemäldegalerie befindliches Brustbildnis (Inv. Nr. S 629, 60,5 x 50 cm), das eine traditionelle, stilistisch aber abwegige Zuschreibung an Mengs trägt, zeigt Brühl nach rechts gewendet und in Rüstung unter rotem Mantel mit Pelzbesatz. Denkbar ist, dass sich die ursprüngliche Konzeption des Bildnisses in dieser Derivation spiegelt.