DW_364 Idealisierter Mädchenkopf (Mengs, Anton Raphael)

Die in Grisaille ausgeführte und in den Abmessungen etwa gleich große Version des verschollenen Exemplars der Sammlung Barberini (Roettgen 1999, Kat. 268) ist als eigenständige Vorarbeit dieses Idealporträts anzusehen. Die Vorbereitung der farbigen Fassung durch eine kartonartige Version, mit der die Helldunkel- und die Tonwerte fixiert wurden, entspricht einer Praxis, derer sich Mengs vor allem bei seinen mehrfigurigen Kompositionen bediente.
Die Identifikation mit einer der Töchter des Malers - vorgeschlagen wurde die älteste Tochter Anna Maria (Graevenitz 1902) - prägte die Wahrnehmung des Bildes der Sammlung Barberini, wie ein Foto (Nr. 1153, wohl Archiv Brogi) belegt, auf dem zu lesen ist „La Figlia di Raffael Menghes“. Die Ähnlichkeiten mit den erhaltenen Bildnissen der Töchter (Roettgen 1999, Kat. 256-258) sind jedoch so unspezifisch, dass eine individuelle Porträtabsicht ausgeschlossen werden kann. Selbst wenn eine der Töchter Modell gesessen hat, dominiert der idealtypische Charakter als antikisierender Ausdruckskopf, vergleichbar mit dem Profilbildnis eines Knaben (Roettgen 1999, Kat. 242).
Das Werk dürfte während des Florentiner Aufenthaltes (1770-1771 oder 1773/4) entstanden sein, als Mengs in Florenz die Statuen der Niobidengruppe während ihrer Restaurierung ausgiebig studieren konnte. Dieses Vorbild war maßgeblich für Haltung, Proportion und Ausdruck. Für die Wendung des Kopfes und der Gesichtsausdruck des jugendlichen Gesichtes richtete er sich nach einer der damals als Niobiden bezeichneten Gewandfiguren, die ihren Blick emporrichtet, während das V-förmig um den Hals gelegte Brusttuch dem Vorbild der Mutter Niobe folgt.