DW_368 Selbstbildnis (Mengs, Anton Raphael)

Die auf eine grob strukturierte Leinwand gemalte Kopfstudie stimmt weitgehend mit dem Selbstbildnis für den Grafen Firmian überein, das Mengs im November 1773 in Florenz vollendet hat (Roettgen 1999, Kat. 286, Dokument 1, 23. 11. 1773). Begonnen hatte er es jedoch schon während seines Aufenthaltes in Neapel im Februar desselben Jahres. Damals vollendete er den Kopf und begann mit dem Malen der Hand (ibidem, Dokument 2, 15. 2. 1773). Vermutlich entstand auch die Ölstudie in Neapel, wo er sich seit Anfang November 1772 aufhielt. Dieser Umstand könnte die Verwendung einer Leinwand erklären, die von gröberer Textur ist als die sonst von ihm für Modellstudien benutzten Leinwände.
Technik und Zustand sind charakteristisch für eine Studie nach dem Leben. In technischer Hinsicht gut vergleichbar ist die Ölstudie im verlorenen Profil, die vermutlich 1774 entstanden ist (Roettgen 1999, Kat. 280). Hals und Büste sind auf der in der Imprimitur belassenen Leinwand nur mit wenigen gezeichneten Linien angedeutet. Die Silhouette des in Nahsicht erfassten Kopfes hebt sich kaum von dem diffusen dunklen Grund ab. Die nahsichtige Konfrontation mit dem eigenen Spiegelbild generiert eine spontan und unkonventionell anmutende Momentaufnahme, die im Spektrum von Mengs‘ Selbstdarstellungen sehr ungewöhnlich wirkt. Der mit kritischem Blick erfasste Realismus des Konterfeis und sein freier malerischer Duktus werden besonders deutlich beim Vergleich mit dem ausgeführten Bildnis, obwohl sich die gegenständlichen Unterschiede auf wenige Details wie das vom Haar unbedeckte Ohr und die Konturen beschränken.