Exkurs zur Provenienz
Im Rahmen der Inventarisierung des kirchlichen Kunstbesitzes, die das staatliche Ufficio del Catalogo Centrale im Jahr 1975 in der Badia Fiesolana, der damaligen Residenz der Klostergemeinschaft der Padri Scolopi, durchführte, wurde die Zeichnung erfasst und fotografiert. Abweichend vom Standort lautet hier der Besitzervermerk (condizione giuridica) „di proprietà privata/ Pio Chiaroni“. Die gleichen Besitzverhältnisse treffen auf ein zweites, ebenfalls 1975 inventarisiertes Blatt zu [DW_192/VZ_02].
Aufgrund des letzten bekannten Standortes der beiden Zeichnungen ist ihre Provenienz aus der Sammlung des Kanonikers Angelo Maria Bandini (1726-1803) wahrscheinlich. Bandini, der ab 1752 Bibliothekar der Biblioteca Marucelliana in Florenz war, besaß nachweislich zwei Zeichnungen von Mengs, die sich 1797 in der damals ihm gehörenden Villa Papiniano in Fiesole befanden und die er wohl von Mengs selbst erhalten hatte, den er persönlich kannte. Die beiden Zeichnungen werden in einem (fiktiven?), in Latein abgefassten Brief vom Oktober 1797 erwähnt, die ein gewisser Luigi Tramontini an Bandini geschrieben hat und der eine Beschreibung der Kunstschätze in Bandinis Villa enthält. Es gab hier auch einen Salon mit zahlreichen Zeichnungen, von denen er jedoch nur drei namentlich erwähnt: „fra gli altri disegni o pensieri originali di pittori a matita, acquerello e penna, singolarizzano due disegni di Raffaello Mengs” (ital. Übersetzung nach Gargani 1862).
Der Kunstbesitz Bandinis wurde nach seinem Tod aufgeteilt: Die sakralen Goldgrundbilder gingen an die Diözese von Fiesole (heute Museo Bandini) und die Druckgraphik an die Biblioteca Marucelliana in Florenz. Dagegen fehlen dokumentarische Belege über den Verbleib seiner Zeichnungen und der antiken Objekte und Gipsabgüsse in seinem Gabinetto d’antichità in der Villa, die nach seinem Tod mehrfach den Besitzer wechselte und umgestaltet wurde (https://it.wikipedia.org/wiki/Villa_Papiniano, 29.04 2019).
Die kalligraphische Beschriftung beider Zeichnungen mit dem Namen „Mengs“ ist m. E. ein Indiz für diese Provenienz. Der Umstand, dass sie im konkreten Fall „Annuccia Mengs“ nennt, stellte dabei eher eine „quantite negléable“ dar. Auch der Umstand, dass die beiden Blätter bis 1975 vereint waren, erhärtet diese Provenienz und legt nahe, dass sie nach Bandinis Tod (1803) in die der Villa direkt benachbarte Badia Fiesolana gelangten. Für diese Sachlage spricht die Korrektur des Besitzervermerks in beiden Karteiblättern. Die ursprüngliche maschinenschriftliche Angabe „di pertinenza del convento“ wurde gelöscht, ist aber noch lesbar und wurde überschrieben mit „di proprietà privata“. Der in der gleichen Zeile folgende Vermerk „Pio Chiaroni“ wurde mit einer anderen Schreibmaschine eingegeben. Dass sich die Zeichnungen nicht mehr im Konvent befinden (heute Florenz, via Cavour 94), erklärt sich demnach daraus, dass der Padre sie nach dem Besitzerwechsel privat vererben konnte.
Bildlich dokumentiert durch Negativ SBAS FI 240084, erstellt durch die Direzione Generale delle Antichità e Belle Arti.

Möglicherweise bezieht sich ein von Mengs aus Florenz an Anton von Maron geschriebener Brief vom 28. April 1773 auf diese Zeichnung (von Einem 1973, Nr. 26, S. 65/66). Er bittet hier seinen Schwager in Rom darum, ihm die Zeichnung zu senden, an der Annuccia nun schon so lange arbeite. Sobald sie durch Niolaus Mosmann fixiert worden sei, möge er sie so zuschneiden, dass sie in eine metallene Rolle passe, um sie dann mit dem ersten spanischen Kurier an seine Adresse (in Florenz) senden solle. Die von zwei Händen stammende Aufschrift des Blattes spricht für diese Sachlage. Auf den sauber und klein geschriebenen Namenszug „Annuccia Mengs“ folgt von einer anderen Hand die Angabe „1. Aprile1774“. Bevor Mengs Florenz am 15. April 1774 verließ, hat der Empfänger auf der Zeichnung das Datum ihrer Überreichung vermerkt.
Die Zeichnung richtet sich in allen Details genau nach der Modellstudie. Warum Annuccia ausgerechnet die Modellstudie des Earl of Pembroke kopiert hat, lässt sich nicht erklären. Vielleicht gefiel ihr sein weiches Gesicht mit dem scheuen Ausdruck.
Anna Maria, die in der Werkstatt ihres Vaters ausgebildet worden war und die später ein weiteres seiner Werke kopiert hat (DW_17/WK_04), heiratete 1778 den spanischen Kupferstecher Manuel Salvador Carmona und ging mit ihm nach Madrid. Von ihrer Hand haben sich nur wenige Miniaturen erhalten.