DW_376 Bildnis eines jungen Mädchens

Die bisherige Zuschreibung des Gemäldes an Maurice Quentin La Tour (1704-1788) wurde kürzlich durch Stefano Grandesso korrigiert. Er erkannte die stilistische Nähe zu Mengs und insbesondere zu den weiblichen Modellstudien im Bereich der höfischen Porträts. Besonders gut vergleichbar ist die Studie für das Porträt der Maria Luisa von Parma, die nach dem August 1765 in Madrid entstanden ist [Roettgen 1999, Kat. 181]. Der Datierungsspielraum reicht jedoch von 1750 bis in die frühen 1770er Jahre, wie der Blick auf andere Werke dieser Kategorie zeigt [Roettgen 1999, Kat. 160, 169, 176, 186].
Die Identität der Dargestellten lässt sich bislang nicht klären, jedoch sprechen die gepuderten Haare, die Perlenohrringe und die seidene Halskraus für einen gehobenen sozialen Rang der jungen Dame, die hier vermutlich für ihr Brautporträt Modell saß. Während für die Anfertigung einer Modellstudie nicht mehr als zwei Stunden Arbeit notwendig waren, hätte das Porträt einen höheren Arbeitsaufwand erfordert. Daher ist es, analog zu ähnlich gelagerten Fällen in Mengs' Oeuvre, eher unwahrscheinlich, dass dieses Porträt jemals ausgeführt wurde, da es dann auch seinen Niederschlag in den Werkverzeichnissen gefunden hätte.
Die Unmittelbarkeit und Lebendigkeit der Ölstudie wird wesentlich durch die Frontalität des Gesichtes und die daraus resultierende Direktheit des Kontaktes zwischen Maler und Modell bewirkt. Es entsteht so ein visueller Dialog, der es dem Porträtisten ermöglicht hat, die psychische Ausstrahlung des jugendlichen Modells auf die Leinwand zu bannen. Zentral für diese suggestive Präsenz ist die intensive Sprache der Augen. Anders als Quentin La Tour, dessen Bildnisse von den Zeitgenossen für ihre Erfassung der Seele berühmt waren, erreicht Mengs diese Wirkung ohne jegliche Pose und momentane Effekte.