Das schriftlich und bildlich gut dokumentierte Werk ist 2015 nach mehr als zwei Jahrhunderten wieder zum Vorschein gekommen. Das früheste bildliche Zeugnis ist ein Kupferstich von Johann Heinrich Lips, der sich nach einer bisher nicht identifizierbaren Kopie des Dresdner Akademieschülers Johann Cresczenz Seydelmann (1750-1829) richtete (Roettgen 1999, 74-WK3). Dieser Stich wurde 1778 im vierten Band von Lavaters Werk „Physiognomische Fragmente“ reproduziert (Roettgen 1999, Kat. Nr. 74-GR1).
Für die Entstehung des Gemäldes stehen zwei Zeitabschnitte zur Wahl: entweder der Romaufenthalt von Februar 1771 bis August 1773 oder die ersten Monate des Jahres 1777. Gian Ludovico Bianconi, der enge persönliche Beziehungen zu Mengs während dessen letzten Lebensjahren hatte, überliefert, dass er die Tafel für einen Pater der reformierten Minoriten-Observanten malte, mit dem er befreundet war und der Beichtvater seiner Frau Margarita Guazzi war, die im April 1778 in Rom starb. Der (namentlich nicht bekannte) Pater habe das Bild später seinem Kloster in Varese geschenkt. Diese Angabe wird durch die rückseitige Aufschrift des Bildes bestätigt, aus der die Übergabe des Bildes am 31. Oktober 1778 hervorgeht. Die Tatsache, dass dieser Zugang in Latein und in einer „offiziellen“ Form vermerkt wurde, spricht dafür, dass dies der Zeitpunkt ist, zu dem das Bild in den Besitz des Konvents gelangte. Dort blieb das Gemälde jedoch nur wenige Jahre. Der Grund dafür war die durch den habsburgischen Statthalter der Lombardei verfügte Aufhebung des Klosters S. Francesco, über deren Vollzug am 2. April 1784 ein erschütternder handschriftlicher Bericht existiert, der die Verschleuderung der Vorräte des Klosters und die anschließende Plünderung schildert (Vettore 2015). Auch wenn in diesem Bericht nur von „sacri arredi“, also den liturgischen Wertgegenständen die Rede ist, die entwendet wurden, kann man davon ausgehen, dass auch die Gemälde sequestriert wurden. Denn 1787 befand sich das Bild im Besitz des Statthalters der Lombardei, Erzherzog Ferdinand, in Mailand, wie Carlo Fea in seiner um aktuelle Nachrichten vermehrten Edition der Schriften von Mengs überliefert. Er versieht hier die im Wortlaut mit Bianconis Text identische Angabe mit dem Zusatz: „ma ora è presso l’Arciduca.“ (S. XLIV). Ferdinand Karl Anton Joseph, der 1780 zum Statthalter der Lombardei ernannt wurde, war ein jüngerer Bruder von Kaiser Joseph II. Er residierte in Mailand und in Monza. Nach seiner Vertreibung aus Italien ließ er sich 1796 mit seiner Frau Maria Beatrice d’Este (1750-1839) in Wien nieder. Auf welchem Wege das Gemälde später in den Besitz der Bourbon-Parma gelangte (Stempel auf der Rückseite), lässt sich vorerst nicht rekonstruieren, da keiner der direkten Nachkommen des Erzherzogs in diese Familie einheiratete.
Das frontalsichtige Antlitz des Salvator Mundi konfrontiert den Betrachter mit einer Erscheinung, die durch ihre Monumentalität überwältigt. Deutlich wird dies beim Vergleich mit dem 1767 entstandenen Herz-Jesu-Bild von Pompeo Batoni, dem berühmtesten Christusbild der römischen Malerei im 18. Jahrhundert. Als Mengs 1771 nach zehnjähriger Abwesenheit nach Rom zurückkehrte, dürfte er die Gelegenheit nicht versäumt haben, sich Batonis Gemälde in der Kirche Il Gesu anzusehen, das im Fokus einer damals hochaktuellen theologischen Auseinandersetzung zwischen den Jesuiten als Befürwortern des Herz-Jesu-Kults und dem aufgeklärten Katholizismus stand, der sich von den neumystizistischen Tendenzen der Volksfrömmigkeit distanzierte (Jon L. Seydl: Contesting the Sacred Heart of Jesus in Late Eighteenth-Century Rome, in: Liliana Barroero (Hg.): Intorno a Batoni, Lucca 2009, S. 93-105). Vor diesem Hintergrund gibt sich Mengs‘ für einen Franziskaner gemaltes Bild als gezielter Gegenentwurf zu dem umstrittenen Christusbild zu erkennen, das der Herz-Jesu-Kult dank Batonis populärer Darstellung in Rom etabliert hatte. Von daher liegt es nahe, das Gemälde in die Jahre 1771-1773 zu datieren. Da sich Mengs nach seiner Rückkehr aus Spanien erneut mit Batoni als dem wichtigsten römischen Maler vergleichen mußte, bot ihm das Gemälde für den Franziskanerpater die Gelegenheit, in der theologisch brisanten Debatte Stellung zu beziehen. Er entschied sich für die traditionelle Auffassung des Christus triumphans, dem er eine athletische körperliche Präsenz gab, in der sich seine durch das Antikenstudium geprägte Auffassung des maskulinen Ideals niederschlug.
Diese Monumentalität und Unnahbarkeit wirkten in Verbindung mit dem idealisierenden Charakter der Darstellung auf Johann Caspar Lavater irritierend. Sein Kommentar zu Mengs‘ Gemälde, der aufschlussreiche Details für die Kriterien der Bildbetrachtung in den reformiert-aufgeklärten Kreisen nördlich der Alpen enthält, macht deutlich, wie schwer verständlich eine imago des Salvator Mundi in der Glorie für die Christusvorstellung eines Nichtkatholiken war. Das in höchstem Maße idealisierte Antlitz und die der den Kopf umhüllende Nimbus, der sich an drei Punkten verstärkt, so dass der ikonographisch versierte Betrachter ihn zum Kreuzesnimbus ergänzen kann, wirkten auf den reformierten Protestanten Lavater fremdartig, da sie seiner Vorstellung vom „Heiland“ widersprach. Gleichzeitig war er jedoch von der suggestiven Schönheit der Gestalt Christi fasziniert.