DW_363 Mary Isabella Somerset, spätere Duchess of Rutland (1756 – 1831) (Mengs, Anton Raphael)

Die wegen ihrer Schönheit gerühmte und später mehrmals von Reynolds porträtierte Mary Isabella Somerset war die jüngste Tochter des im Jahr ihrer Geburt verstorbenen Charles, 4th Duke of Beaufort. Sie heiratete 1775 Charles Manners, den späteren 4th Duke of Rutland. Dieser war der älteste Sohn des Marquis of Granby und ein Neffe von Robert Sutton (Roettgen 1999, Kat. 231). Charles Manners, den eine enge Freundschaft mit William Pitt verband, war von 1781 bis zu seinem frühen Tod 1787 im Alter von 33 Jahren Lord-Lieutenant von Irland. 1770 war Lady Mary mit ihrer Mutter Elizabeth Duchess of Beaufort und ihrer Nichte Lady Elizabeth Compton nach Südfrankreich und 1771 weiter nach Italien gereist. Bis 1774 hielten sie sich mehrmals in Rom und Florenz auf. Damaligen Gerüchten zufolge sollte sie den jungen Prinzen von Bracciano heiraten. Im Juni 1773 traf die Mutter in Rom mit Mengs zusammen, wo sie auch das Porträt von Lord Cowper sah (DW_ 342). Anton von Maron porträtierte die Nichte, Lady Betty. Im Sommer 1773 hielten sich die drei Reisenden wieder in Florenz auf. Dort entstand das Porträt von Mengs.
Das Bildnis der Lady Somerset wird zwar weder in den biographischen Quellen zu Mengs noch in den Werklisten bzw. im Nachlassinventar namentlich erwähnt. Die in den oben aufgeführten Direktquellen vorgenommene Zuschreibung wird jedoch durch die Tagebucheintragungen und Briefe der Mutter bestätigt.
Das Bildnis, das dem Typus des halbfigurigen Porträts ohne Hände angehört, ist auch aufgrund der Kleidung und der Haartracht in das Jahrzehnt zwischen 1770 und 1780 zu datieren. Damals kam die Mode auf, einen Teil der ungepuderten Haare weich und locker nach oben zu stecken und nur die zusammengebundenen Nackenhaare in den Rücken fallen zu lassen. Die Enden des blauen Bandes, das zum Halt um den Haaraufbau geschlungen und im Nacken zu einer Schleife ist, sind so gelegt, dass das rechte Band auf dem Decolleté aufliegt, wo es einen wirksamen farblichen Akzent setzt.
Auf einen verwandten Blauton ist der kostbare graue Schleierumhang getönt, der um die Schultern der Dargestellten liegt und durch den ein im Schnitt sehr einfaches lachsrosafarbenes Gewand hindurch scheint. Die Ränder des Schultertuches sind mit blauen und weißen Streifen verziert (vermutlich handelt es sich um eingearbeitete Seidenbänder), die sich in dem über der Brust geschlungenen dekorativen Bausch zu einer höchst delikaten Farb-, Linien- und Formkomposition verdichten. Das rosafarbene Gewand, unter dem die Dargestellte ein weißes Hemd mit Ärmeln trägt, ist am Decolleté mit einem sehr flüchtig behandelten weißen Spitzeneinsatz versehen. Der helle, aber gedämpfte Rosaton des Gewandes antwortet auf die Rot- und Rosatöne des Inkarnats und insbesondere der Lippen. Der neutrale Hintergrund, der entsprechend dem für das Bildnis gewählten Farbklang auf grau gestimmt ist, weist die für Mengs charakteristische Aufhellung auf, die dazu dient, die Plastizität des Gesichtes zu betonen. Meisterhaft und äußerst sensibel ist die Behandlung des Inkarnats und von Augen, Nase und Mund.
Die Finesse, mit der die sich sehr dezent gebende Kleidung durch die Palette des Malers in Szene gesetzt wird, ist bezeichnend für die wenigen weiblichen Bildnisse, die sich von Mengs außerhalb des offiziellen Genres erhalten haben.