DW_363 Mary Isabella Somerset, spätere Duchess of Rutland (1756 – 1831) (Mengs, Anton Raphael)

Die wegen ihrer Schönheit gerühmte und später mehrmals von Reynolds porträtierte Mary Isabella Somerset war die jüngste Tochter des im Jahr ihrer Geburt verstorbenen Charles, 4th Duke of Beaufort. Sie heiratete 1775 Charles Manners, den späteren 4th Duke of Rutland. Dieser war der älteste Sohn des Marquis of Granby und ein Neffe von Robert Sutton, den Mengs 1753 porträtiert hatte (Roettgen 1999, Kat. 231). Unter der Obhut ihrer Mutter Elizabeth Berkeley (1719-1799) und in Gesellschaft von deren verwaister Enkelin Lady Elizabeth Compton (1760-1835) brach sie 1770 zu einer längeren Italienreise auf, die den klassischen Stationen der Grand Tour folgte. Die etwa dreijährige Reise war eine Bildungsreise auf hohem Niveau, wie sich aus dem Reisetagebuch der Duchess of Beaufort (Badminton MSS in Badminton House) ergibt, das die Aktivitäten, Bekanntschaften und Kunstkäufe dokumentiert, die sie während dieser Jahre in Italien getätigt hat. Nach der ersten Begegnung mit Mengs im Juni 1773 beim toskanischen Botschafter St. Odile ging sie mit dem Maler "to his house and saw Ld. Cowper's Picture" (Ingamells 1997, S. 66). Aus dem Tagebuch geht hervor, dass Anton von Maron 1774 ihre Enkelin porträtiert hat, während das Bildnis von Mengs nicht erwähnt wird. Da aus den ungedruckten Quellen (Ingamells 1997, S. 67) hervorgeht, dass der Maler es im April 1774 - d.h. vor seiner Abreise aus Florenz - Horace Mann übergeben hat, dürfte das Bildnis während der Monate zwischen Juli und November 1773 entstanden sein, als sich die drei Damen in Florenz aufhielten. In den biographischen Quellen zu Mengs hat das Bildnis der Lady Somerset keine namentliche Erwähnung gefunden. Lediglich Ratti berichtet, dass Mengs während seines zweiten Aufenthaltes in Florenz das Porträt einer englischen Mylady "al suo solito modo" gemalt habe.
Das Bildnis, das dem Typus des halbfigurigen Porträts ohne Hände angehört, entspricht in Kleidung und Haartracht der Damenmode dieser Jahre. Damals wurde es üblich, einen Teil der ungepuderten Haare weich und locker nach oben zu stecken und nur die zusammengebundenen Nackenhaare in den Rücken fallen zu lassen. Die Enden des blauen Bandes, das zum Halt um den Haaraufbau geschlungen und im Nacken zu einer Schleife ist, sind so gelegt, dass das rechte Band auf dem Decolleté aufliegt, wo es einen wirksamen farblichen Akzent setzt.
Auf einen verwandten Blauton ist der kostbare graue Schleierumhang getönt, der um die Schultern der Dargestellten liegt und durch den ein im Schnitt sehr einfaches lachsrosafarbenes Gewand hindurch scheint. Die Ränder des Schultertuches sind mit blauen und weißen Seidenbändern verziert, die sich in dem über der Brust geschlungenen dekorativen Bausch zu einer delikaten Farb-, Linien- und Formkomposition verdichten. Das rosafarbene Gewand, unter dem die Dargestellte ein weißes Hemd mit Ärmeln trägt, ist am Decolleté mit einem nur angedeuteten weißen Spitzeneinsatz versehen. Der neutrale Hintergrund, der entsprechend dem für das Bildnis gewählten Farbklang auf grau gestimmt ist, weist die für Mengs charakteristische Aufhellung auf, die die Plastizität des Gesichtes steigert. Meisterhaft und äußerst sensibel ist die Behandlung des Inkarnats und von Augen, Nase und Mund.