Doray de Longrais (1782) ist der erste Biograph von Mengs, der dieses Gemälde erwähnt. Seine Benennung des Dargestellten als «Pierre de Viterbe» ist verlässlich, da er mit Nicolas Guibal, dem Vorbesitzer des Gemäldes, in brieflichem Kontakt stand. Fea übernahm in seiner Edition der Schriften von Mengs (1787) für das Werkverzeichnis diese Benennung und ergänzte sie mit der Bemerkung, dass der dargestellte Bettelmönch öfters in Mengs’ Haus zu kommen pflegte und dass dieser ihn wegen seines schönen Kopfes gemalt habe. Diese Informationen dürften auf Mengs‘ Schwester Therese Concordia bzw. deren Ehemann Anton von Maron zurückgehen. Die französische Ausgabe der Schriften von Mengs von 1787 fügt dem hinzu, dass der Dargestellte im Geruch der Heiligkeit verstorben sei (« mort en odeur de sainteté.»). Die Umbenennung des Dargestellten in Giuseppe da Viterbo, die erstmals in der Legende der Radierung von Kellerhoven belegt ist [Roettgen 1999, Kat. 214 GR 2) kann somit als irrelevant angesehen werden.
Die schon 1978 von Hardtwig ausgesprochene Vermutung, dass es sich bei „Peter von Viterbo“ um den 1806 selig gesprochenen Fra Crispino da Viterbo handeln könnte, erhält nicht nur durch die das Bildnis von Mengs betreffende Überlieferung neues Gewicht, sondern auch durch dessen Bildnisse und weitere, inzwischen bekannt gewordene biographische Details.
Geboren als Pietro Fioretti, hatte der Laienbruder des Kapuzinerordens 1693 den Namen Fra Crispino angenommen, und erlangte durch sein wohltätiges Wirken an verschiedenen Orten des Kirchenstaates große Popularität. Er galt als ein frommer, gütiger und weltgewandter Mann, der auch vom hohen römischen Klerus geschätzt wurde, weil er allgemeine Glaubenswahrheiten in eine einfache, poetische und bildhafte Sprache zu kleiden verstand. Bereits zu Lebzeiten im Geruch der Heiligkeit stehend, wurde 1755 das entsprechende Verfahren in die Wege geleitet, das aber erst 1806 in der Seligsprechung durch Papst Pius VII. seinen Abschluss fand. Am 20. Juni 1982 galt ihm die erste der zahlreichen, von Papst Johannes Paul II. vorgenommenen Heiligsprechungen.
Der Zeitpunkt, zu dem sich Mengs und der damals achtzigjährige Kapuziner in Rom begegnet sind und er ihn porträtiert hat, lässt sich aufgrund der biographischen Fakten auf den Zeitraum von Mai 1748 (Rückkehr des Kapuziners nach Rom) und dem Datum der Abreise des Malers von Rom (Spätherbst 1749) eingrenzen. Mengs wohnte damals in der Nähe des Ospedale di Santo Spirito, wo er auch anatomische Lektionen besuchte und das zu den Orten gehörte, die Fra Pietro oft aufsuche, um sich um Kranke und Sterbende zu kümmern. Auf diese Weise könnten sich der Maler und sein Modell kennengelernt haben.

Ergänzung zur Provenienz
Es gilt als verbürgt, dass das Gemälde aus dem Besitz von Nicolas Guibal stammt, der in Rom von 1752 bis 1755 in engem Kontakt zu Mengs gestanden hat. Dass er das Porträt des Kapuzinermönches besaß, ergibt sich aus der Mengs- Biographie von Doray de Longrais von 1782. Aus einem Brief Guibals an den Freiherrn W. H. von Dalberg geht des Weiteren hervor, dass er schon um 1780 die Absicht hatte, dieses Bild zu verkaufen (Bernhardt 1922). Er fügte seinem undatierten Brief daher eine Beschreibung des Gemäldes bei (München, BSB, Cod. Germ. 4830, S. 106/107, loses Blatt) h, aus der u. a. hervorgeht, dass es auf Zypressenholz gemalt wurde. Die feine regelmäßige Maserung der Tafel (Foto Rückseite) spricht tatsächlich dafür, dass es sich um diese Holzart handelt. Dies bestätigt zwar die Provenienz aus dem Besitz von Guibal, löst aber nicht die Fragen hinsichtlich der Erwerbsgeschichte, vgl. DW_214/WK_06. Jedenfalls wurde das Gemälde nicht von der Witwe Guibals erworben, wie es in der 1804 in der Zeitschrift „Archiv von Künstlern und Kunstsachen“ publizierten Miszelle heißt, sondern von dem Kunsthändler Rumny. Dies ergibt sich aus dem Eintrag in den Ankaufsakten der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen für das Jahr 1792: „Nachdem S. Churfl. Durchl. Das Original-Gemäld von Mengs vorstellend den Capuciner Peter von Viterbo von dem Malerey Händler Rumny für die Bilder Gallerie dahier um 40000 fl. erkauft haben. München 28. Jänner 1792 (Hardtwig 1978, S. 285) Wegen der Namensähnlichkeit dürfte Rumny identisch sein mit dem „Schartekenhändler Romey“, der 1802 in Wien eine zweite Version des Bildnisses als Original anbot, allerdings um einen etwas geringeren Preis [DW_214/WK_06].