Auszuschließen ist, dass es sich um Abraham da Santa Clara handelt, mit dem das Bildnis laut Rahmenetikett bisher identifiziert wurde, was aber bereits der Verfasser des rückseitig aufgeklebten Zettels aufgrund von dessen Lebensdaten in Zweifel zog. Es handelt sich vielmehr um eine bis auf wenige Details identische Version des 1792 durch Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz erworbenen Gemäldes, das den Kapuzinerfrater Pietro da Viterbo darstellt [DW_214].
Die in kursiver Schrift gehaltene Aufschrift «R: Mengs» befindet sich in der äußersten rechten Ecke des unteren Bildrandes, rechts vom Wanderstab und unterhalb der den Stab umfassenden linken Hand. Der rückseitige Aufkleber gibt den Text der „Signatur“ fälschlich als „Ant: Raf: Mengs“ wieder. Das Fehlen des in Mengs‘ Signaturen nie fehlenden A (für Anton) spricht gegen eine Signatur, jedoch handelt es sich um eine Aufschrift, die zeitlich und materiell mit der Malsubstanz übereinstimmt.
Ein Blick auf die Münchner Fassung zeigt, dass hier von der rechten Hand nur der Daumen und ein Teil des Zeigefingers dargestellt sind, mit dem eine Perle des Rosenkranzes gehalten wird, während die mit der Signatur-Aufschrift versehene Version auch den Mittelfinger und einen Teil des Ringfingers wiedergibt. Dieser Befund, der mit der Kopie von Guibal (Roettgen 1999, Kat. 214 WK 4) übereinstimmt, erklärt die um 3 cm geringere Höhe des Münchner Bildes (Roettgen 1999, Kat. 214), das daher vielleicht als Zweitfassung anzusehen ist.
In der Qualität der Ausführung sind beide Versionen gleichrangig, wie an der Augenpartie, dem Ohr, dem in meisterhafter Feinmalerei ausgeführten Kopf- und Barthaar, der Mundpartie und der linken Hand deutlich wird. Ein auffälliges naturalistisches Detail sind die schmutzigen Fingernagelränder, die in dem gereinigten Bild allerdings markanter in Erscheinung treten. Obwohl das Bildnis deutliche Merkmale eines Typenporträts aufweist, wie auch Feas Bericht über seine Entstehung nahelegt, erhält es durch die wachen Augen, die sich beobachtend auf das Gegenüber richten, eine individuelle Prägung, die in der jetzt bekannt gewordenen Version deutlicher in Erscheinung tritt als im Münchner Bild.
Laut dem rückseitigen Aufkleber, der in stark beschädigter Form überlebt hat, befand sich das Bild bis 1886 in der Sammlung eines Herrn Wilhelm […] Sarasin, aus dessen Besitz es der Autor der Aufschrift für 50(?) Franken gekauft hat. Es dürfte sich bei dem Vorbesitzer um den Basler Bandfabrikanten und Großrat Wilhelm Emanuel Sarasin-Iselin (1855-1929) handeln.
Zur älteren Provenienz dieser Fassung ist nichts bekannt. Möglicherweise handelt es sich um das Bild, das der „Schartekenhändler“ (Trödler) Romey aus Schaffhausen 1802 in Wien für 2000 Gulden feilbot [DW_214/WK_06] und als Original ausgab. Es existierte demnach eine zweite Version des Bildes, die derselbe Händler, der zehn Jahre früher das Gemälde aus dem Besitz Guibals an die Münchner Galerie verkauft hatte, als Original ansah, wofür er angesichts des von ihm verlangten Preises stichhaltige Gründe - vielleicht die Signatur-Aufschrift - gehabt haben dürfte.