Gründer, Inhaber, Geschäftsführer 1882-1930
Teilhaber ab 9.8.1906 (Birgit Jooss, 2022); Teilhaber 1906-1919 (Astrid Bähr, 2013)
Teilhaber ab 1910 (Birgit Jooss, 2022); Teilhaber 1910-1933 mit Filiale in New York (Astrid Bähr, 2013)
Teilhaber ab 1922 (Birgit Jooss, 2022); Teilhaber und Geschäftsführer 1922 (Astrid Bähr, 2013)
Teilhaber ab 1928 (Birgit Jooss, 2022); Geschäftsführer 1928 (Astrid Bähr, 2013)
Julius Böhler (1860-1934) wurde in Schmalenberg bei Sankt Blasien im Schwarzwald geboren. Anfänglich wohl im Hausierhandel tätig, spezialisierte er sich bald auf den Wanderhandel mit Antiquitäten – zunächst insbesondere Möbel, Plastiken und Skulpturen, dann auch Gemälde (Alte Meister) und Kunsthandwerk. 1879 verlegte er seinen Wohnsitz vom badischen Allensbach in die bayerische Residenzstadt München, wo er 1882 ein Ladengeschäft eröffnete. Julius Böhler hatte offenbar keine kunsthändlerische Ausbildung absolviert, sondern sich die notwendigen Kenntnisse im Selbststudium angeeignet. Rasch gewann er hohes Ansehen bei Sammlern und Museen und stieg in nur kurzer Zeit zum erfolgreichen Kunsthändler auf. Aufgrund seiner engen Geschäftsverbindungen zur preußischen Museumsverwaltung erhielt er 1895 von Kaiser Wilhelm II. den Titel eines "Königlich-preußischen Hofantiquars". 1906 ernannte ihn Prinzregent Luitpold zum "Königlich-bayerischen Hofantiquar". Seine Stellung als eine der besten Adressen des Münchner Kunsthandels zeigte sich auch im Erwerb des Anwesens Briennerstraße 12, wo sich Böhler bis 1905 nach Plänen des damaligen Münchner Stararchitekten Gabriel von Seidl (1848-1913) ein repräsentatives und prächtiges Geschäftshaus im italienischen Palazzostil mit zwanzig Ausstellungsräumen errichten ließ.
Nach der Jahrhundertwende trieben die Söhne des Firmengründers die geschäftliche Expansion voran. Der älteste Sohn Julius Wilhelm Böhler (1883-1966) trat nach einer Ausbildung zum Kunsthändler in Paris und London 1906 als Teilhaber in das väterliche Geschäft ein. Der jüngste Sohn Otto Alfons Böhler (1887-1950), seit 1910 Teilhaber, gründete zusammen mit dem aus Köln stammenden Kunsthändler Fritz Steinmeyer (1880-1959) im gleichen Jahr die Kunsthandlung Böhler und Steinmeyer in New York, die vor allem Kommissionsware aus München anbot.
In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg zählte die Kunsthandlung Julius Böhler zu den ersten Kunsthandelshäusern in Deutschland und erreichte ihr stärkstes Wachstum. 1919 übersiedelte Julius Wilhelm Böhler, der bis 1954 Gesellschafter des Münchner Hauses blieb, nach Luzern, wo er 1935 die Schweizer Staatsbürgerschaft erwarb.
Das Münchner Stammhaus führte ab 1928 sein Sohn Julius Harry Böhler (1907-1979), zusammen mit seinem Onkel Otto Alfons Böhler und dem 1916 in das Unternehmen eingetretenen und von 1922 bis 1956 als Teilhaber wirkenden Kunsthistoriker Hans Sauermann (1885-1960). Fritz Steinmeyer trat 1926 als stiller Gesellschafter der Firma bei. Nach dem Zusammenbruch des Auslandsgeschäftes im Ersten Weltkrieg und Kapitalverlusten infolge der Inflation nahm das Unternehmen ab 1925 erneut einen deutlichen Aufschwung, der wesentlich auf der Steigerung des Auslandsumsatzes beruhte, aber selbst in den Jahren des Booms von 1927 bis 1929 nicht mehr das Geschäftsvolumen der Vorkriegszeit erreichte. Der Firmengründer Julius Böhler schied 1930 als Gesellschafter aus. Die Weltwirtschaftskrise verursachte von 1930 bis 1934 größere Verluste in der Bilanz, bevor ab 1936 – trotz des rückläufigen und mit Beginn des Zweiten Weltkrieges stark eingeschränkten Auslandsgeschäfts – bis Kriegsende eine Konsolidierung deutlich über dem Niveau der frühen 1920er Jahre erfolgte. Zwischen 1936 und 1938 war Julius Harry Böhler stiller Teilhaber des Kunstversteigerungshauses Adolf Weinmüller und mit 50 % am Gewinn beteiligt.
1919 initiierte Julius Wilhelm Böhler zusammen mit Fritz Steinmeyer die Gründung der Kunsthandel AG in Luzern, deren Geschäftsführung beide übernahmen. Das Münchner Stammhaus beteiligte sich ab 1925 am Aktienkapital des Unternehmens. Gleichzeitig schlossen sie eine Interessengemeinschaft für ein enges Zusammenarbeiten auf dem internationalen Kunstmarkt und den gemeinschaftlichen Ankauf und gegenseitigen Austausch von Waren. Mit der Weltwirtschaftskrise geriet auch das Luzerner Unternehmen vorübergehend in die Verlustzone.
Anfang der 1920er Jahre knüpfte Julius Wilhelm Böhler die durch den Krieg unterbrochenen Geschäftskontakte zu amerikanischen Kunstsammlern neu, insbesondere zum amerikanischen Zirkus-Magnaten und Kunstsammler John Ringling (1866-1936). Seit 1925 beriet und unterstützte er den Amerikaner beim Aufbau seines Kunstmuseums in Sarasota, Florida. Anfang 1928 gründete er dann zusammen mit Fritz Steinmeyer unter Beteiligung Ringlings in New York die Firma Böhler & Steinmeyer Inc., an der die Kunsthandel AG Luzern und das Kunsthaus Julius Böhler in München beteiligt waren. Das erste Geschäftsjahr schloss mit einem exorbitanten Gewinn, jedoch geriet das Unternehmen aufgrund der Weltwirtschaftskrise ab 1931 in die roten Zahlen und ging 1935 in Liquidation.
1928 wurde unter Beteiligung der Kunsthändler Heinrich und Heinz Steinmeyer eine selbstständige Niederlassung (Julius Böhler KG) in Berlin gegründet, die jedoch 1932 wieder aufgegeben wurde. 1911 war schon einmal eine nicht selbstständige Zweigniederlassung in Berlin eingerichtet worden, die zehn Jahre existiert hatte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg trat 1956 Julius Gustav Böhler (1929-2010), der Enkel des Firmengründers, als Gesellschafter in die Firma ein und wurde nach dem Tod seines Vaters Julius Harry 1979 Alleininhaber. Auch weiterhin behauptete das Unternehmen seine Position als eine der bedeutendsten Kunsthandlungen Münchens. 2004 wurde – nach 124 Jahren – der Stammsitz in München aufgegeben.
Noch immer in Familienbesitz, setzt das Kunsthaus Julius Böhler unter der Leitung von Florian Eitle-Böhler, das heute auf europäische Plastik, Kunstkammerobjekte und hochwertiges Kunstgewerbe aus dem frühen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert spezialisiert ist, seine Tradition am Standort in Starnberg fort. (Birgit Jooss, 2022)
1936-1938: Die Kunsthandlung Julius Böhler veröffentlichte vier reich illustrierte Auktionskataloge mit kunsthistorischem Apparat zu vier hochwertigen und umfangreichen Sammlungen. Die Versteigerung mit Werken aus dem Besitz der Staatlichen Museen zu Berlin führte Böhler gemeinsam mit Rudolf Lepke, Berlin, durch. Die Zusammenarbeit und stille Teilhaberschaft beim Münchener Kunstversteigererhaus Adolf Weinmüller wurde von Hopp 2012 aufgearbeitet. (Astrid Bähr, 2013)
Dieser Eintrag ist im Rahmen des Seminars "Der Kunstmarkt und seine Mechanismen - Die Rolle von Kunsthandelsarchiven für die Forschung" von Dr. Birgit Jooss am Institut für Kunstgeschichte der Universität Augsburg im Wintersemester 2021/2022 entstanden.
Der Eintrag basiert auf den Forschungsergebnissen von Astrid Bähr im Rahmen des Projekts „German Sales 1930-1945“ (https://www.arthistoricum.net/themen/portale/german-sales/). Siehe auch Bähr, A., Brand, J., & Wullen, M. (2013).