Fölzer, Elvira (1868-1937)

Elvira Fölzer entstammte einer großbürgerlichen Kaufmannsfamilie mit Wurzeln im brasilianischen Porto Alegre. Über die ersten Jahrzehnte ihres Lebens ist wenig bekannt. Erst im Alter von 31 Jahren legte sie – nach dem Besuch der Höheren Töchterschule in Wandsbek bei Hamburg –1899 das Abitur am Städtischen Gymnasium in Dresden-Neustadt ab. Offenbar besaß sie eine ausgeprägte Neigung zur Kulturgeschichte und Altertumskunde. Diese Interessen führten sie zum Studium der Archäologie, Klassischen Philologie und der Kunstgeschichte, das sie von 1899 bis 1905 in Leipzig, Freiburg i. Br. und Bonn absolvierte. 1905 erfolgte die Promotion bei Georg Loeschcke in Bonn (einem ausgesprochenen Förderer des Frauenstudiums) mit der Abhandlung „Die Hydria, ein Beitrag zur griechischen Vasenkunde“. Es spricht für ihre selbstbewusste Persönlichkeit und ihre Courage, dass sie sich anschließend – als erste Frau – 1906 und nochmals 1907 um das Reisestipendium des Archäologischen Institutes zu bewarb, doch hatte sie damit keinen Erfolg.
Danach bot sich ihr die Chance, am Provinzialmuseum in Trier tätig zu werden. Von 1907 bis 1916 war sie hier als Wissenschaftliche Hilfsarbeiterin mit Werkverträgen beschäftigt. Als wichtigste Aufgabe war ihr von Museumsdirektor Emil Krüger die Bearbeitung der keramischen Funde aus den seit 1899 laufenden Kanalisationsgrabungen übertragen worden. Mit diesem Projekt entwickelte sie sich zur Spezialistin in der Erforschung römischer Keramik und insbesondere der Terra sigillata. 1907, 1908 und 1914 führten sie Studienreisen nach Frankreich, Süddeutschland und in die Schweiz, um das dortige keramische Material kennenzulernen. 1910/11 übersiedelte sie nach Frankfurt am Main, um bei Hans Dragendorff in der Römisch-Germanischen Kommission im Auftrag des Trierer Museums ihre Keramikforschungen fortzuführen. 1913 erschien der erste Band ihres Werkes über die Relief-Sigillata der ostgallischen Werkstätten einschließlich Triers, das als Standardwerk noch immer unersetzlich ist; vom zweiten Teil mit dem südgallischen Material ist ein 1918/19 beendetes Typoskript erhalten. 1917 schied sie aus dem Dienst des Trierer Museums aus. Bei der Besetzung von zwei Stellen für Direktorialassistenten, die 1911 und 1918 eingerichtet wurden, wurde sie beide Male nicht berücksichtigt.
Sie blieb weiterhin in Frankfurt und begann eine „neue Berufstätigkeit“. 1926 übersiedelte sie nach Berlin, wo sie – wie wahrscheinlich schon zuvor – ihren Lebensunterhalt als private Sprachlehrerin bestritt. Zuletzt lebte sie in einem Lehrerinnenheim in Oberursel bei Frankfurt.
In der 1938 aufgestellten Liste der auszuschließenden jüdischen Mitglieder des Archäologischen Instituts erscheint auch ihr Name – der einzige bekannte Hinweis auf ihre Zugehörigkeit zum Judentum.
Elvira Fölzer gehört zu den ersten akademisch ausgebildeten Frauen, die sich in der Altertumsforschung einen Namen gemacht haben. Sie darf als „Pionierin der Archäologie“ gelten: Sie war die erste Frau, die das Fach Klassische Archäologie mit Erfolg abgeschlossen hat; sie wurde als erste Frau an der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn promoviert, sie war die erste provinzialrömische Archäologin in Deutschland und wohl auch überhaupt. Es war es ihr allerdings nicht vergönnt, eine gesicherte berufliche Position in ihrem Fach zu erreichen. Ihre wissenschaftliche Domäne, die „Scherbenwissenschaft“, sah sie stets als Teil der Handels- und Kulturgeschichte. Mit ihrem Namen bleibt der Beginn der systematischen Erforschung der römischen Keramik in Trier und im östlichen Gallien verbunden.